Ob Wohnbau, Bürokomplex oder Industriehalle – die Frage „Welche Kabel sind für den Brandschutz geeignet?“ taucht in jeder Elektroinstallation auf. Gemeint sind Leitungen, die im Brandfall entweder die Brandausbreitung deutlich begrenzen oder sogar über definierte Zeiträume ihre Funktion aufrechterhalten. Entscheidend sind dabei Materialeigenschaften wie Halogenfreiheit, Rauchentwicklung und Säurebildung sowie normativ festgelegte Prüf- und Klassifizierungsverfahren.
Welche Kabel erfüllen strenge Brandschutznormen?
Für den vorbeugenden Brandschutz gelten halogenfreie, flammwidrige Leitungen als erste Wahl. Sie verhindern die schnelle Brandausbreitung, setzen nur wenig Rauch frei und bilden im Brandfall keine korrosiven, giftigen Halogengase. Typische Kennzeichnungen sind „LSZH/LS0H“ (Low Smoke Zero Halogen) bzw. im deutschsprachigen Markt „halogenfrei“. Wichtig ist dabei die Unterscheidung: flammwidrig bedeutet brandhemmend (Reaktion im Brandfall), feuerbeständig bedeutet Funktionserhalt über eine festgelegte Zeit.
In Gebäuden sind halogenfreie Installationsleitungen wie (N)HXH oder N2XH gängig; für Einzelleiter kommen z. B. H07Z1-U/R/K zum Einsatz. Für Kommunikations- und Steuerleitungen haben sich JE-H(St)H (halogenfrei) etabliert, im Datenbereich LSZH-Varianten von Cat-Kabeln. Standard-PVC-Leitungen wie NYM-J erfüllen zwar häufig die Einzel-Flammentest-Anforderungen, sind aber nicht halogenfrei und erreichen in der Regel niedrigere CPR-Klassen – in sensiblen Bereichen sind daher halogenfreie Alternativen mit höherer Klassifizierung vorzuziehen.
Wo sicherheitsrelevante Funktionen auch im Brandfall erhalten bleiben müssen – etwa Sicherheitsbeleuchtung, Sprachalarmanlagen, Rauchabzugs- oder Sprinklersteuerungen – kommen feuerbeständige Kabel und Systeme zum Einsatz. In Deutschland typisch sind Leitungen mit FE180 (Funktionserhalt des Leiters über 180 Minuten nach IEC 60331) in Verbindung mit Systemklassen E30/E60/E90 nach DIN 4102-12 für das komplette Kabeltragsystem. Alternativ bzw. ergänzend existieren europäische PH-Klassen (z. B. PH30/PH90 nach EN 50200) für kleine Querschnitte, häufig in rot gekennzeichneten Varianten für Sicherheitskreise.
Anforderungen, Prüfklassen und Zulassungen erklärt
Zentrales Regelwerk für die Reaktion von Kabeln auf Feuer ist die Bauprodukteverordnung (CPR) mit der Norm EN 50575 und der Klassifizierung nach EN 13501-6. Sie teilt Kabel in Aca bis Fca ein und ergänzt um Indizes für Rauchentwicklung (s1–s3), brennende Abtropfen (d0–d2) und Säure/Leitfähigkeit (a1–a3). Für Flucht- und Rettungswege werden häufig Klassen wie Cca- oder B2ca-s1,d1,a1 gefordert, während in üblichen Wohnbereichen oft Dca- oder Eca-Leitungen zulässig sind. Die konkrete Anforderung richtet sich nach Landesrecht (z. B. MLAR/LAR) und dem Gebäudekonzept.
Für den Funktionserhalt gelten andere Prüfungen. Die europäische EN 50200 klassifiziert kleine Kabel mit PH15/30/60/90, während IEC 60331 (bzw. frühere VDE-Prüfungen) den Leiterfunktionserhalt wie FE180 beschreibt. In Deutschland bewertet DIN 4102-12 den Systemfunktionserhalt E30/E60/E90 – also das Zusammenwirken von Kabel, Befestigungs- und Tragsystem unter Brandbeanspruchung. Entscheidend ist daher nicht nur die Leitung, sondern das geprüfte Gesamtsystem, einschließlich Verlegeabständen, Befestigungen und Installationslage.
Bei der Beschaffung sind Kennzeichnung und Nachweise wichtig: CE-Kennzeichnung mit Leistungserklärung (DoP) nach CPR, gegebenenfalls VDE-Prüfzeichen sowie für sicherheitstechnische Anlagen spezifische Zulassungen (z. B. VdS für Brandmeldeanlagen). Für Systeme mit Funktionserhalt sind bauaufsichtliche Nachweise relevant, etwa DIBt-Zulassungen für Kabeltragsysteme gemäß DIN 4102-12. Planungsunterlagen sollten die geforderte Klasse (z. B. B2ca-s1,d1,a1 oder E30/PH90) eindeutig benennen, und die Montage muss gemäß der geprüften Systemdokumentation erfolgen.
Kurz gesagt: Für erhöhten Brandschutz sind halogenfreie, raucharme Leitungen mit hoher CPR-Klassifizierung die Basis; in sicherheitskritischen Stromkreisen kommen darüber hinaus feuerbeständige Kabel und geprüfte Tragsysteme mit E30/E60/E90 bzw. PH-Klassen zum Einsatz. Achten Sie auf klare Kennzeichnungen (z. B. B2ca-s1,d1,a1, FE180/E30) und vollständige Nachweise wie DoP, VDE/VdS und – wo erforderlich – DIBt-Zulassungen. So stellen Sie sicher, dass die gewählten Kabel nicht nur normgerecht sind, sondern im Ernstfall Menschen schützen und Schäden minimieren.